Wissenswertes

Ernährungsberater verrät: Die wahre Ursache von Übergewicht

Linus Bandowsky

Staatlich anerkannter Ernährungsberater

January 21, 2025
January 21, 2025
January 21, 2025

Trotz massivem Aufwand, als Gesellschaft gesünder zu werden und abzunehmen, verschlimmern sich die Zahlen beim Thema Übergewicht und Adipositas in Deutschland.

Jeder Fünfte ist laut RKI hierzulande adipös, und 46 % der Frauen bzw. 60 % der Männer sind übergewichtig.

Infografik des RKI.

Die geschätzten Kosten für unsere Gesellschaft liegen dadurch bereits bei etwa 63 Milliarden Euro pro Jahr — Tendenz steigend.

Und das, obwohl mehr als jede und jeder Zehnte Deutsche von sich sagt, dass sie wirklich gerne abnehmen würden.

Einer der wichtigsten Gründe, warum so viele Menschen abnehmen möchten, es aber einfach nicht schaffen oder durchziehen, sind die weit verbreiteten Mythen zu dem Thema, die einerseits unrealistische Erwartungen schüren und gleichzeitig erwiesene Maßnahmen als unnötig oder unsicher darstellen.

Das Resultat: Viele Leute setzen auf ineffektive oder sogar schädliche Methoden wie besondere Diätformen, Diätshakes oder Supplements und verschwenden damit Unmengen an Geld bzw. finanzieren sogar noch eine Industrie, die gezielt Misinformationen verbreitet.

Wie schaffen wir es also, Wissenschaft und Praxis wieder unter einen Hut zu bringen, um Übergewicht effektiv anzugehen?

Keine einfache Aufgabe, denn das Thema ist sehr kompliziert und wird auch von Expertinnen und Experten noch missverstanden.

Mythos Nummer 1: Übergewicht liegt hauptsächlich an Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung

Der Grund, warum Menschen übergewichtig sind, ist rein physikalisch gesehen recht simpel: Sie haben über einen langen Zeitraum mehr Kalorien zu sich genommen, als sie verbraucht haben.

Und das wird meist ganz simpel so ausgedrückt: „Du isst halt einfach zu viel und bewegst dich zu wenig.“ Ja, vielen Dank, damit ist uns sehr geholfen.

Die „großen Zwei“, also Bewegung und Ernährung, sind der Fokus fast aller Präventions- und Therapieprogramme und werden allgemein als die Hauptgründe für Übergewicht betrachtet.

Allgemein bekannte Lebensmittelpyramide.

Dabei werden aber andere mögliche Ursachen für Übergewicht komplett vernachlässigt. Obwohl die Logik dahinter, sich gesünder zu ernähren und mehr zu bewegen, also erstmal einleuchtend erscheint, fehlen tatsächlich klare wissenschaftliche Belege, die über Korrelation hinausgehen und die „großen Zwei“ eindeutig bestätigen.

Viele andere Ursachen — wie genetische Faktoren, Schlaf, psychischer Stress oder Hormone — sind durch ebenso überzeugende Belege gestützt wie die „großen Zwei“.

Diese Einflussfaktoren, beispielsweise die Ausschüttung von und Empfindlichkeit gegenüber Hunger- und Sättigungshormonen, wirken sich direkt auf die Energiezufuhr und Energiebilanz aus.

Das waren viele Informationen — also was heißt das eigentlich?

Das heißt: Dass wir zu viel essen oder uns zu wenig bewegen, sind oftmals eher Symptome und nicht direkt die Ursachen von Übergewicht.

Medikamente wie die Abnehmspritze können dabei helfen, die genetischen Ursachen für Übergewicht auf ein „Normallevel“ zu regulieren, und in Kanada zum Beispiel wird die Verbesserung des Schlafs bereits aktiv als Maßnahme zum Abnehmen gefördert.

Wir sollten also viel offener damit umgehen, dass Sport und Ernährung nicht immer pauschal als Ratschlag Nummer 1 eingesetzt werden können, weil die zugrunde liegenden Ursachen gar nicht erst angegangen werden.

Mythos Nummer 2: Diäten funktionieren langfristig

Ungefähr zwei Drittel aller Menschen, die Gewicht verlieren, nehmen innerhalb eines Jahres wieder zu. Schaut man auf einen längeren Zeitraum von fünf Jahren, sind es sogar beinahe alle, die ihr ursprüngliches Gewicht wieder erreichen.

Bild aus Meta-Analyse zu Diätergebnissen über eine längere Zeitspanne.
Was ist der Grund dafür?

Nun, sich für eine gewisse Zeit an einen Ernährungsplan, eine Diät oder ein Sportprogramm zu halten, ist das eine (und an sich schon schwierig genug). Langfristige Ergebnisse erfordern aber einfach, dass diese Maßnahmen praktisch für immer ein fester Teil des Lebens werden — auch wenn der Alltag stressig ist, auch wenn man keine Lust hat und auch wenn man müde ist. Eine Umstellung der Gewohnheiten ist in großen Studien die Schlüsselrolle, wenn es um nachhaltigen Gewichtsverlust geht.

Und auch biologisch gibt es einige Gründe, die den Jo-Jo-Effekt erklären.Dabei kommt es zu vielen Anpassungserscheinungen, denn Abnehmen bedeutet evolutionär gesehen für unseren Körper nichts anderes als eine Hungersnot — und ein Verhungern will er um jeden Preis verhindern.

Dabei kommt es zur Reduktion des Grundumsatzes (wir verbrennen schon in Ruhe deutlich weniger Kalorien als vor der Diät), zur verringerten Ausschüttung von Sättigungshormonen und auch zu mehr Lethargie, also Antriebslosigkeit und Müdigkeit im Alltag. Das macht es dann eben nochmal schwieriger, sich ausreichend zu bewegen.

Bild aus Studie zu biologischen Anpassungen an eine Diät.

Wenn wir uns also Menschen anschauen, die es tatsächlich schaffen abzunehmen und ihr Gewicht auch zu halten, verfolgen sie meist ähnliche Strategien:

  • Sie essen hauptsächlich fett- und kalorienarme Lebensmittel.
  • Sie zeigen ein hohes Maß an körperlicher Aktivität.

  • Sie kontrollieren konsequent ihr Körpergewicht sowie was und wie viel sie essen.
  • Und ganz interessant: Tatsächlich frühstücken sie regelmäßig.

Das klingt vielleicht für eine gewisse Zeit umsetzbar, aber es ist realistisch gesehen einfach sehr unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Menschen mit Übergewicht all diese Verhaltensweisen dauerhaft übernehmen kann.

Gleichzeitig bleibt natürlich auch die Sorge bestehen, dass für so eine strenge Gewichtskontrolle zu wirklich ungesunden und teils gesundheitsschädlichen Methoden wie Abführmitteln oder Stimulanzien gegriffen wird, was die psychische und auch die körperliche Gesundheit gefährden kann.

Dass man nach einer Diät wieder zunimmt, sollte nicht als Versagen gesehen werden, sondern leider als erwartbare Folge im Umgang mit einer chronischen und komplexen Krankheit wie Adipositas.

Mythos Nummer 3: Mangel an Disziplin

Einer der schädlichsten Mythen in unserer Gesellschaft ist, dass man es immer alleine schaffen muss und es übergewichtigen Menschen nur an Willenskraft und Disziplin fehlt.

Was wir aber sehen: Selbst wenn Wissenschaftler:innen ganz vielen Menschen dasselbe Abnehmprogramm geben, sich alle gleichermaßen an das Programm halten und das gleiche Maß an Disziplin zeigen — sie nehmen alle unterschiedlich viel ab. Dieses Thema ist einfach zu komplex für Pauschalaussagen — eine Lösung funktioniert nicht für alle Menschen.

Für viele Menschen — besonders für die, die bereits abgenommen haben — bedeutet mehr Disziplin nicht automatisch auch mehr Gewichtsverlust, weil der Körper mit unterschiedlichen Anpassungen dafür sorgt, dass wir nicht weiter abnehmen.

Unser Energieverbrauch zum Beispiel, das wissen wir ganz gut, sinkt unweigerlich während der Gewichtsabnahme. Dieser reduzierte Energieverbrauch ist von Person zu Person sehr unterschiedlich und kann dann auch mal dafür sorgen, dass ein tägliches Defizit von 500 kcal (wie es ja meist empfohlen wird) vollständig ausgeglichen wird.

Bild aus Studie zur Anpassung des Grundumsatzes im Verlauf einer Diät.

Wir sollten uns bewusst machen, dass es keine bewusste Entscheidung ist, übergewichtig oder adipös zu sein, und dass der Abnehmerfolg für jeden Menschen unterschiedlich aussieht. Erfolg kann sich in ganz vielen Aspekten widerspiegeln:

  • Mehr Lebensqualität
  • Höheres Selbstwertgefühl

  • Gesteigerte Energielevels.
  • Bessere allgemeine Gesundheit

Mythos Nummer 4: Medikamente sind unsicher und ein „einfacher Ausweg“

Jegliche Hilfe von außen wird oft als „einfacher Ausweg“ stigmatisiert. Das betrifft in letzter Zeit vor allem die Abnehmspritze. Gleichzeitig ist sich die Wissenschaft ziemlich einig: Die Medikamente sind sicher, effektiv und sollten für viele Menschen in Kombination mit einem angepassten Lebens- und Ernährungsstil das Mittel der Wahl sein.

Das bestätigt auch die EMA, die Europäische Arzneimittelbehörde, in ihrem Statement zu Wegovy, der Version der Abnehmspritze, die explizit zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas entwickelt wurde.

Statement der EMA zur Sicherheit und Wirksamkeit von Wegovy.

Vielleicht liegt dieses Missverständnis daran, dass ältere Medikamente zum Abnehmen oft nicht wirklich wirksam waren. Xenical, Saxenda und Qsymia zum Beispiel sind Medikamente älterer Generationen, mit denen Anwender:innen im Schnitt 3–9 kg pro Jahr verlieren konnten.

Das klingt auf ein Jahr gesehen nicht wirklich viel, konnte aber gerade Menschen mit Adipositas bereits dabei helfen, die Schwelle von 5 % Gewichtsverlust zu durchbrechen, die laut vielen Untersuchungen bereits mit erheblichen gesundheitlichen Verbesserungen einhergeht.

Zum Glück gibt es aber neuere Generationen dieser Medikamente: Wegovy, von dem ich ja bereits gesprochen habe, ist seit 2022 in der EU zugelassen. Mit diesem Medikament konnten in Studien im Schnitt 15 % Gewichtsverlust pro Jahr erzielt werden.

Angaben des Herstellers von Wegovy zu dem möglichen Gewichtsverlust.

Die Skepsis und unrealistische Erwartungshaltung an solche Medikamente ist in unserer Gesellschaft klar: Ein Pieks pro Woche und das Fett schmilzt nur so weg?

Ja ganz so einfach ist es vielleicht nicht aber die Abnehmspritze ist nunmal ein nützliches und sicheres Werkzeug, wenn vorherige Maßnahmen nicht funktioniert haben. Warum sollte man sie also als negativ werten, wenn sie Menschen effektiv dabei hilft, Gewicht zu verlieren, gesünder zu Leben und ein glücklicheres Leben zu führen?

Fazit

Ich bin hier wirklich nur auf ein paar der zahlreichen Mythen zu Übergewicht eingegangen, mit dem Ziel, dich vielleicht ein bisschen zum Nachdenken zu bringen.

Weil es so viele Menschen betrifft, ist das Thema natürlich besonders anfällig für Dogmen, Vorurteile und vorgefasste Meinungen. Vereinfachte Vorstellungen, die allein betrachten, wie viel wir essen und wie viel wir uns bewegen, haben sich im Umgang mit dem Problem als größtenteils unwirksam erwiesen.

Erst wenn wir als Gesellschaft die Komplexität der Ursachen für Übergewicht verstehen, können wir betroffenen Menschen wirklich weiterhelfen. Denn aktuelle Maßnahmen berücksichtigen fast nie das komplexe biopsychologische System unseres Körpers.

Denn ja: Abnehmen ist simpel, aber alles andere als einfach.

  1. Tasali E, Wroblewski K, Kahn E, Kilkus J, Schoeller DA. Effect of Sleep Extension on Objectively Assessed Energy Intake Among Adults With Overweight in Real-life Settings: A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2022;182(4):365–374. doi:10.1001/jamainternmed.2021.8098 Dem Link folgen
  2. Javaheri, S., & Redline, S. (2017). Insomnia and Risk of Cardiovascular Disease. Chest, 152(2), 435-444. doi:10.1016/j.chest.2017.01.026 Dem Link folgen
  3. Knutson, K. L., & Van Cauter, E. (2008). Associations between sleep loss and increased risk of obesity and diabetes. Annals of the New York Academy of Sciences, 1129, 287-304. doi:10.1196/annals.1417.033 
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  4. Walker, M. P. (2009). The role of sleep in cognition and emotion. Annals of the New York Academy of Sciences, 1156, 168-197. doi:10.1111/j.1749-6632.2009.04416.x Dem Link folgen

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