Vielleicht gibt der Titel schon Aufschluss darüber, dass ich ein recht analytischer, zahlenfokussierter Mensch bin.
Seit ich 2017 mit dem Kraftsport begonnen habe, bin ich ein sehr aktiver Nutzer von Apps zum Kalorienzählen. So aktiv und routiniert, dass ich meine recht lange “Streak” vom täglichen Tracken gar nicht bewusst bemerkte.
Vielleicht mag das nach außen komisch wirken, und für viele Menschen klingt das ständige Wiegen ihres Essens und Eingeben in der App eher nach einer lästigen Aufgabe.
Genau darum schreibe ich diesen Beitrag: Ich verrate dir, was ich beim rigorosen Tracken meiner Ernährung und Zählen der Kalorien gelernt habe, damit du es nicht machen musst. Du kannst diese Erkenntnisse für deine alltägliche Ernährung anwenden, ohne auch nur jemals eine Kalorie gezählt zu haben.
Ich gehe natürlich auch auf die negativen Aspekte ein und darauf, was ich mache, um mir ein hohes Maß an Flexibilität in meinem Alltag zu ermöglichen.
Vor etwa einem Jahr wollte ich einmal richtig in Form kommen und die angehäuften Kilos meines, zugegebenermaßen etwas ausgearteten, Muskelaufbaus loswerden.
Das sollte keine klassische Crash-Diät à la „Ich verliere mal eben 15 kg in 10 Wochen“ werden, sondern eine nachhaltige und langsame Gewichtsreduktion.
Während Gewicht verlieren per se simpel ist — wir müssen weniger Kalorien zu uns nehmen, als wir verbrauchen — macht es das noch lange nicht einfach. Zahlreiche Aspekte wie Disziplin, Sättigungs- und Hungerempfinden sowie „Food Fokus“ sind größtenteils genetisch determiniert.
Und so gehöre ich auch seit jeher zu den Personen, die im Restaurant problemlos auch alle Portionen der Mitessenden aufessen könnten.
Das im Hinterkopf, habe ich mir ein „Warum“ und ein „Wie“ des Kalorienzählens festgelegt.
Wie schon angesprochen, habe ich ein besonders ausgeprägtes Hungerempfinden. Ich wollte also Fett verlieren, ohne mich dabei zu Tode zu hungern oder Muskulatur zu verlieren — auch wenn das 6 Monate anstatt 6 Wochen Diät bedeutete.
Natürlich ist das noch kein wirklich konkretes Ziel. Ein besserer Ansatz ist das Konzept der SMART-Methode. Dabei setzen wir uns Ziele, die spezifisch (Fett verlieren), messbar (ein konkretes Gewichtsziel), attraktiv (besser aussehen) und realistisch (ein im Zeitrahmen erreichbares Gewichtsziel) sind.
In meinem Fall hieß das: Zwischen Januar und Juli 0,5 kg pro Woche abnehmen, um mein Gewicht von 95 kg auf 83 kg bei 186 cm Körpergröße zu reduzieren.
Ein Ziel muss sich immer an dem Plan zur Erreichung messen lassen. Also war der nächste Schritt für mich, ein Kalorienbudget festzulegen, das in meinem gewünschten Gewichtsverlust resultieren würde.
Den Plan kann man einfach rückwärts aufbauen: Ein Kilogramm Körperfett hat 7.000 kcal. Ein tägliches Defizit von 500 kcal ergibt damit ein wöchentliches Defizit von 3.500 kcal, was wiederum einem halben Kilo Fett entspricht — ganz simpel. (3.500 / 7 = 500).
Natürlich berücksichtigt diese Rechnung keine metabolischen Anpassungen an den Gewichtsverlust, aber sie ist ein guter Ausgangspunkt.
Nun, ein tägliches Defizit von 500 kcal ist absolut machbar, erfordert aber enorme Präzision im Festhalten der täglichen Ernährung und der Aktivität im Alltag.
Weil ich Präzision sehr mag, musste ich also meinen täglichen Gesamtumsatz ermitteln — die Anzahl an Kalorien, die ich durch meinen Grundumsatz und meine Aktivität kombiniert über den Tag verbrauche.
Online-Rechner für den Grundumsatz sind super hilfreich, für den Gesamtumsatz greifen sie aber definitiv zu kurz, weil sie die Alltagsaktivität nur sehr grob schätzen.
Also habe ich mit einem Whoop-Armband jeden Schritt und jede Aktivität festgehalten.
So konnte ich basierend auf meinem errechneten Grundumsatz von 2.100 Kalorien und meinem tatsächlichen Aktivitätslevel mein Kalorienbudget für jeden Tag anpassen. Zum Beispiel:
Zusätzlich dazu habe ich mich jeden Morgen gewogen und basierend auf der Entwicklung meines Körpergewichts Anpassungen des täglichen Kalorienbudgets vorgenommen, um meinen gewünschten Gewichtsverlust sicherzustellen.
Diesen extrem datenbasierten Ansatz habe ich jeden Tag für ein halbes Jahr verfolgt und meinen Fortschritt festgehalten.
Insgesamt habe ich 11,5 kg abgenommen, also etwas weniger als die geplanten 12 kg, aber trotzdem knapp im Rahmen von 0,5 kg Fettverlust pro Woche.
Laut Bioimpedanzmessung waren davon tatsächlich 87 % reines Körperfett — die Genauigkeit einer solchen Messung ist ein anderes Thema, aber ich habe wenigstens versucht, die Umstände der Messungen konstant zu halten.
Nur um das klarzustellen: Ich erwarte von wirklich niemandem so ein Maß an Genauigkeit oder Striktheit — ich habe das ja nicht einmal von mir selbst erwartet.
Für mich war das vielmehr ein persönliches Experiment — eine Fallstudie mit unzähligen Datenpunkten und Monaten gesammelter Erfahrung.
Eine Fallstudie, die dir nun mit praktischen Tipps für deine tägliche Routine weiterhelfen soll. Das sind meine größten Erkenntnisse:
Nach all meiner Erfahrung mit dem Abwiegen von Lebensmitteln und Protokollieren der Ernährung habe ich eines gelernt: Die Kalorienbilanz ist der wichtigste Faktor, wenn es um das Gewichtsmanagement geht.
Vielleicht erinnerst du dich an den Physikunterricht zurück: Energie kann nicht erzeugt oder zerstört werden; sie kann einzig umgewandelt werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Energiebilanz die Basis dafür ist, ob wir Körpermasse zu- oder abnehmen.
Um es einfacher auszudrücken: Du hast ein Bankkonto mit täglichen Einnahmen und Ausgaben. Der Kontostand spiegelt dabei die Summe aller Einnahmen und Ausgaben wider — nicht, ob du Geld bar ausbezahlt oder überwiesen hast.
Gleichermaßen spiegelt dein Körpergewicht viel mehr die Summe der Kalorien wider, die du zu dir führst, als das Verhältnis der Makronährstoffe zueinander.
Viele moderne Diätformen fokussieren sich stark auf die Makronährstoffe — besonders Keto oder Low Carb. Daran ist per se nichts falsch, und dieser Ansatz kann für dich wunderbar klappen.
Nichtsdestotrotz funktionieren alle Diäten zur Gewichtsreduktion über denselben Mechanismus: Hinter der Einsparung von Kohlenhydraten steckt letztlich nichts anderes als die Einsparung von Kalorien.
Keine Diätform hat etwas „Magisches“ an sich, das die Pfunde nur so schmelzen lässt. Du kannst deine Ziele immer erreichen, solange deine Makronährstoffziele deiner angestrebten Energiebilanz entsprechen.
Natürlich steckt aber auch ein gewisses Maß an Strategie hinter der Zusammensetzung der Makronährstoffe — also, wie habe ich es gemacht?
Kohlenhydrate unterstützen die Trainingsleistung — wichtig für mich beim Kraft- und Ausdauersport. Eine hohe Zufuhr von Proteinen hilft bei der Sättigung und dem Muskelerhalt. Bei Fetten bevorzuge ich für mich selbst ein gewisses Mindestmaß von ca. 20–25 % der Kalorienzufuhr, um die Hormonproduktion zu gewährleisten, aber nicht zu viele Kalorien wegzunehmen und dann bei Kohlenhydraten und Proteinen sparen zu müssen.
So kann man es machen, muss man aber nicht. Für mich hat sich dieses Verhältnis in der Praxis als besonders sinnvoll bewährt.
Ich bin dabei kein High-Carb-Verfechter oder Low-Carb-Gegner. Wie ein Meta-Analyse us dem Jahr 2022 zeigt, ist die Menge an Kohlenhydraten oder Fetten beim Abnehmen absolut egal — solange wir uns in einem Kaloriendefizit befinden, nehmen wir ab.
Der Nachteil von Low-Carb und Keto ist, dass praktisch eine ganze Lebensmittelgruppe eliminiert wird. Als Ernährungsberater kann ich immer wieder beobachten: Das Maß an gefühlter Einschränkung im Rahmen einer Diät- oder Ernährungsform korreliert linear mit dem Misserfolg ebendieser Maßnahme.
Im Gegensatz dazu erlaubt das Tracken der Ernährung ein hohes Maß an Flexibilität bei der Nahrungsmittelauswahl. Ich habe dabei einfach die 80/20-Regel eingehalten: 80 % meiner Ernährung bestanden aus gesunden, möglichst unverarbeiteten und nährstoffreichen Lebensmitteln mit einer geringen Kaloriendichte. Die restlichen 20 % konnte ich essen, worauf ich Lust hatte, sodass ein gelegentliches Stück Kuchen oder Eis absolut im Rahmen waren und mir sogar eher bei der Diät geholfen haben.
Eine Sache, die ich beim stetigen Tracken meiner Ernährung gelernt habe, ist, dass wir oftmals massiv unterschätzen, wie viel wir wirklich essen, wenn wir uns nur auf das Hungergefühl verlassen.
Seit Beginn der Menschheitsgeschichte essen wir intuitiv, und viele machen es auch heute noch ohne Probleme. Aber Hunger ist kein verlässlicher Hinweis mehr, wie er das einmal war.
Das Protokollieren der Ernährung kann die verlorengegangene Beziehung zwischen der Nahrungszufuhr und der Energiebilanz wiederherstellen.
Ich bin auch jemand, auf den genau das zutrifft. Mein Sättigungsempfinden ist oftmals aufgrund meines sehr aktiven Lebensstils und meiner genetischen Veranlagung quasi nicht existent. Wenn ich jetzt einfach nur nach meinem Hunger äße, würde ich sehr wahrscheinlich super schnell an Gewicht zunehmen.
Man kann nicht beeinflussen, was man nicht messbar macht.
In diesem Kontext ist das Tracken der Kalorien also eine quantifizierte Lösung für ein intuitives Problem.
Als ich begonnen habe, konstant meine Kalorien zu zählen, habe ich auch gemerkt, wie sich meine Verhaltensweisen in Bezug auf meine Ernährung geändert haben. Ich ging weniger in Restaurants und habe öfter zu Hause gekocht — einfach, weil ich dort mein Essen genau abwiegen konnte, genau wusste, was ich esse, und nichts abschätzen musste.
Natürlich gehe ich immer noch in Restaurants (ich liebe gutes Essen nach wie vor), denn ein gewisses Maß an Flexibilität gehört zu jedem gesunden Lebensstil und zu jeder nachhaltigen Ernährungsweise.
Mein Punkt ist: Du musst deine Kalorien nicht immer tracken. Selbst wenn es nur für ein paar Wochen ist, kann es dir massiv dabei helfen, ein Grundverständnis für Ernährung zu entwickeln und deine Beziehung zum Essen in Richtung eines gesünderen Verhältnisses zu verändern.
Abgesehen von den nützlichen Erkenntnissen haben Fitness-Tracker und Apps zum Kalorienzählen auch ihre Einschränkungen und Nachteile:
Während des Prozesses habe ich wichtige Dinge gelernt. Ich mache mich nicht mehr verrückt, wenn ich mal einen Tag zu viel gegessen habe, und nehme mir ab und zu Pausen vom Tracken.
Auch wenn das Gewicht mal schwankt, kann das unfassbar viele Ursachen haben: erhöhter Salzkonsum, schlechter Schlaf, ungewohnte Lebensmittel und so weiter. Unser Körper interessiert sich nicht dafür, wie viel wir gestern oder heute gegessen haben. Er reagiert auf lange Zeiträume wie Wochen und Monate.
Wenn man sich also nicht um jeden einzelnen Tag stressen sollte, dann erst recht nicht um jede einzelne Kalorie.
Was wirklich zählt: Finde eine Ernährungsform, die für dich langfristig funktioniert, eine gesunde Ernährung fördert und ein Maß an Flexibilität erlaubt, das dich im Alltag nicht einschränkt.
Mein einziger Appell an dich: Tracke mal eine Woche lang deine Ernährung, um dir einen Überblick darüber zu verschaffen, was und wie viel du isst. Es wird dich verblüffen und dir in der Zukunft extrem weiterhelfen.
Ich bin zertifizierter Ernährungsberater und unterstütze die Teilnehmer:innen des Infinos-Abnehmprogramms dabei, zusätzlich zur Abnehmspritze die Ernährungsform zu finden, die einen gesunden und nachhaltigen Abnehmerfolg ermöglicht.